Mythos Mao: Revolutionär, Diktator und Kultfigur

Sondervorbericht zur 300. Auktion

Von 1949 bis 1973 war Mao Zedong, Begründer der Volksrepublik China, gleichzeitig ihr „großer Vorsitzender“. Bis zum heutigen Tag wird Mao in China von Teilen der Bevölkerung wie ein Heiliger verehrt. Doch Maos Herrschaft war gekennzeichnet durch Rechtlosigkeit, Terror und totalitäre Gewalt. Der „Große Steuermann“ brachte das Reich der Mitte an den Rand des Abgrunds.

Kunst und Literatur waren zur Zeit der Kulturrevolution in den Jahren 1966-1976 eine Art „Parteikunst“, eine totale Regulierung von Darstellungen und Ausdrucksweisen, in denen der Personenkult dominierte (Helden, Mao, Bauern, Handwerker, Soldaten). Diese „Rote Kunst“ war eine einmalige Periode in der Kunst Chinas, bedingt durch die Kulturrevolution.

Mao Zedong wurde zur Kultfigur, die China von fremder Herrschaft befreite, einte und in die Moderne führte. Während der Kulturrevolution schmückten Mao Statuen Büros, Fabriken, Museen, Universitäten, Schulen und Politbüros. Für diese Arbeiten gab es weder freie Märkte noch potenzielle Käufer.

Hochwertige große Mao Figuren aus Porzellan wurden nur von der Regierung in Auftrag gegeben und an verdiente Mitglieder des Revolutionskomittees, an Diplomaten, Botschaftsangehörige oder an ausländische Politiker anderer kommunistischer Bruderstaaten verschenkt. Daher war die Produktion gering, diese Stücke sind heute auf dem Markt so gut wie unauffindbar, da die meisten der Statuen kurz nach dem Ende der Kulturrevolution in den Büros, Universitäten, Schulen und Fabriken vernichtet wurden. Außer in Museen oder einigen Privatsammlungen ist nicht viel davon übriggeblieben.

Die Porzellanmeister in Jingdezhen produzierten auch kleinere Mao-Figuren oder Büsten, bestimmt für das „normale Volk“, um sie in den zumeist beengten Wohnräumen aufzustellen. Auch diese wurde aber oft nach dem Ende der Kulturrevolution zerschlagen aus Wut auf Mao.

Inzwischen aber ist das Interesse an diesen chinesischen Keramiken aus den 1960er bis Mitte der 70er Jahre wieder gewachsen und geht weit über den bloßen Charakter von Sammlerstücken hinaus. Chinesische Kunsthistoriker bezeichnen diese Periode als „Rotes Zeitalter“. Das Sammeln von Objekten aus der Zeit der Kulturrevolution und deren Umwandlung in international anerkannte Revolutionskunst begann erst 30 Jahre nach der Kulturrevolution. Sie bedeutet eine Form der Vergangenheits-bewältigung, die heute von vielen Museen der Welt aufgearbeitet wird. Die Ausstellung im Kunstmuseum der Chinesischen Universität in Hongkong 2004 war dabei ein wichtiger Schritt, die Porzellane der Kulturrevolution in die Welt der bildenden Kunst einzubeziehen.

Fan Jianchan gründete in Anren 2005 das größte Kulturrevolutions-Museum der Welt. Sein Buch war bereits 2002 erschienen: “The Cultural Revolution Porcelain Wares“. Im Völkerkunde Museum Wien gab es im Jahre 2011 eine weitere Ausstellung mit dem Thema: “Die Kultur der Kulturrevolution“. Das Wende Museum in Los Angeles veranstaltete 2022/2023 eine Ausstellung (DE) „Constructing Ideology: The Cultural Revolution and beyond“.